Von der Ankunft des Herbstes

Meine erste bewusste Erfahrung tiefer Verbundenheit, war ein überwältigendes Erlebnis. Vermutlich von außen recht unspektakulär – aber es sind meist die stillen Momente, die kleinen Dinge am Wegesrand, die uns die großen Wunder des Universums offenbaren.

Es ist schon einige Jahre her, aber es muss irgendwann gegen Ende des Septembers gewesen sein. Wie fast täglich streifte ich damals durch den Kronacher Festungswald mit seinen kraftvollen alten Bäumen – ein wunderbarer Mischwald mit vielen unterschiedlichen Laub- und Nadelbäumen. Nach einer Weile führte mich mein Spaziergang an den Waldrand auf die Anhöhe, wo ich es mir unter einem Baum gemütlich machte, mich auf dem moosigen Boden niederließ und an den Stamm anlehnte. Mein Blick konnte in die Ferne schweifen, weit über das Kronachtal hin zu den Anhöhen des Frankenwaldes. Es war ein angenehm warmer, spätsommerlicher Tag und ich genoss die Ruhe, atmete die Weite.

Dabei konnte ich auch beobachten, wie sich vor meinen Augen langsam eine Regenfront aufbaute. Die Wolken wurden dichter, dunkler und der Wind frischte mehr und mehr auf, wirbelte die ersten braunen Blätter mit sich, rauschte durch die Wipfel über und hinter mir. Am Horizont regnete es bereits und der Gedanke kam auf, den Heimweg anzutreten, denn ich hatte keinerlei Regenbekleidung bei mir. Doch dieses Schauspiel faszinierte mich und ich genoss es von meinem gemütlichen Sitzplatz so sehr, dass ich mich entschloss zu bleiben und den Regen bewusst abzuwarten.

Und so betrachtete ich ganz entspannt und vollkommen offen, wie der Regen sich näher und näher schob. Die Front nahm einen Taleinschnitt nach dem anderen ein. Dieser besondere Geruch von Regen lag in der Luft, ein Duft der so wunderschön wie schwer zu beschreiben ist… Der Wind trug ihn erst sanft und zart, dann immer bestimmter über die goldenen Stoppeln der Felder vor mir. Auch die Temperatur sank merklich ab. Die Regenwand kam immer näher, wie ein Vorhang schob sie der Wind nun auf dem Feld vor mir auf mich zu. Und dann – regelrecht erlösend – überrollte mich der Regen. So wunderbar frisch und lebendig prasselten die Tropfen auf mich ein.

In diesem Augenblick geschah etwas Magisches: ich begriff, dass dies der Herbst war, der nun da war. Ich habe vollkommen bewusst mit allen meinen Sinnen diesen Moment erlebt, an dem der Herbst den Sommer beendet hatte. Schlagartig hatte sich die ganze Stimmung des Waldes verändert, die Energie war eine komplett andere als noch vor wenigen Minuten. Der Herbst war gekommen und ich hatte ihn begrüßt.

Diese Erkenntnis trug ein tiefes Gefühl der Verbundenheit in sich, wie ich es noch niemals zuvor erlebt hatte. Noch heute rührt mich diese Erinnerung zu Tränen. Die Erde unter mir, die Bäume um mich, das Gras und die Pflanzen, die Wolken, der Regen – alles war in diesem Moment ein Teil von mir. Auch die Tiere des Waldes, ja sogar die Autos, die unten im Tal auf der Straße fuhren, schienen mit mir verbunden zu sein. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich sie nicht nur hören, sondern spüren. Zunächst nur in meiner unmittelbaren Umgebung, aber dieses Gefühl weitete sich über Täler und Hügel, über Wälder und Wiesen aus – soweit ich blicken konnte.

Und so ein Gefühl erdet gleichermaßen, wie es öffnet und das Herz leicht werden lässt. Auf meinem Heimweg entlang der alten Baumriesen war ich leicht und froh. Ich war im Spätsommer losgelaufen und im Herbst kehrte ich heim. Es war tatsächlich der letzte warme Tag des Jahres gewesen.

Und heute verstehe ich, dass es sich dabei nicht nur um einen kostbaren Moment tiefer spiritueller Verbundenheit handelte, sondern auch um eine Verbindung, die für unsere Vorfahren alltäglich gewesen sein musste. Es ist diese Verbindung zum Wald, zur Erde als lebendiges System – und diese Verbindung informiert die Bewohner des Waldes, wenn Gefahr droht und gleichermaßen verrät sie den indigenen Schamanen wo das Wild für die Jäger zu finden ist. Es ist ein Netzwerk, von dem wir modernen Menschen unseren Stecker gezogen und gegen Smartphone und Fernseher eingetauscht haben. Aber wir sind willkommen ihn jederzeit wieder einzustecken.

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About The Author

Holger Schramm
Als Entspannungstrainer und Natur-Coach beschäftige ich mich mit Qi Gong, Meditation & Achtsamkeit ebenso wie der heilsamen Wirkung von Klängen und der Natur auf Körper, Geist und Seele. Diesen Weg gehe ich in meiner schamanischen Praxis und in der Energiearbeit mit meinen Klientinnen und Klienten - "berühren und transformieren".

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